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Einfach abschaffen.

posted by Tobias Aigner July 7, 2017 0 comments
Warum gibt es eigentlich geringfügige Beschäftigungen? Macht so etwas überhaupt Sinn? Seit Anfang des Jahres sind mehrere Branchen und ArbeitnehmerInnen bereits von der Abschaffung der täglichen Geringfügigkeitsgrenze betroffen (derStandard.at berichtete am 5.7.2017). Verdiente man mehr als 31,92 Euro pro Tag war man bis voll sozialversichert. Jetzt liegt die Grenze bei 425,70 Euro. Schon oft wurde (zuletzt von den Grünen) gefordert, die Geringfügigkeit ganz abzuschaffen, doch die bisherigen Versuche scheiterten. „Unbedeutend, nicht ins Gewicht fallend, belanglos“. Das sagt der Duden zu „geringfügig“.

Geringfügig beschäftigt ist man dann, wenn man mit einem Beschäftigungsverhältnis nicht mehr als 425,70 Euro (Stand 2017) im Monat verdient. Das hat im schlimmsten Fall zur Folge, dass man nur unfallversichert, aber nicht kranken-, pensions- oder arbeitslosenversichert ist. Das trifft zum Beispiel dann zu, wenn man nicht durch ein weiteres Beschäftigungsverhältnis, eine Selbstversicherung oder durch die Mitversicherung wie beispielsweise bei den Eltern zumindest krankenversichert ist.

Bei den geringfügig Beschäftigten handelt es sich um keine einheitliche Gruppe. Während die einen zusätzlich zu einem Ganztagesjob noch „dazuverdienen“, also voll sozialversichert sind, gibt aus auch diejenigen, die mehreren geringfügigen Beschäftigungen nachgehen. Auch diese Menschen sind voll sozialversichert, wenn sie insgesamt mehr als 425,70 Euro pro Monat verdienen. In Österreich sind derzeit ca. 350.000 Menschen geringfügig beschäftigt. Zwei Drittel davon sind Frauen.

Vor allem also bei der Pension, aber auch bei schwerer Krankheit oder Arbeitslosigkeit fehlt im schlimmsten Fall die soziale Absicherung, obwohl man ja eigentlich immer gearbeitet hat.

Problematisch wird das Ganze für Menschen, die kein weiteres Einkommen haben. Das betrifft insbesondere jene, die bspw. nur bei ihrer/m Partner/in oder anderen mitversichert sind. Die Mitversicherung zählt nämlich nur für die Krankenversicherung. Pensionsversichert ist man dann nicht. Das bekommen auch oft Studierende zu spüren, die ja bis zum 27. Lebensjahr bei ihren Eltern mitversichert sein können. Am Ende führt das dazu, dass man entweder nicht genügend Beitragsjahre beisammen hat für den Pensionsantritt oder die Pension am Ende nicht zum Leben ausreicht. Vor allem also bei der Pension, aber auch bei schwerer Krankheit oder Arbeitslosigkeit fehlt im schlimmsten Fall die soziale Absicherung, obwohl man ja eigentlich immer gearbeitet hat. Die Geringfügigkeit fördert damit auch die Altersarmut speziell bei Frauen. Zwar besteht die Möglichkeit, sich bei einer geringfügigen Beschäftigung selbst zu versichern, wenn man keinen anderen Versicherungsschutz hat. 2017 kostet das allerdings 60,09 Euro pro Monat. Wenn ich schon weniger als 425,70 Euro verdiene, hilft das wohl auch nur bedingt.

Für Unternehmen besteht der große Vorteil darin, dass sie sich einen Großteil der Sozialversicherungsbeiträge ersparen. In der Praxis kommt es dann auch vor, dass Menschen geringfügig angestellt werden und der Rest „schwarz“ ausbezahlt wird, ebenso wie, dass Unternehmen mehrere geringfügig Beschäftigte statt eine Vollzeitkraft anstellen. Da versucht man zwar durch eine Abgabe gegenzusteuern, unter dem Strich bleibt es dennoch oftmals billiger.

Wie man sieht ist das Ganze auch noch megakompliziert. Dabei war die Geringfügigkeitsgrenze eigentlich einmal dazu gedacht, die Bürokratie einzudämmen. Klar ist, dass sich die geringfügige Beschäftigung positiv auf die Beschäftigungsquote insgesamt auswirkt. Aber man muss sich fragen, ob beschäftigungspolitische Ziele und deren Vorteile nicht viel zu teuer erkauft werden. Auch bei der geringfügigen Beschäftigung handelt es sich um ein sog. „atypisches Beschäftigungsverhältnis“. Der Normalfall sollte das unbefristete Arbeitsverhältnis sein, dass eine volle Kranken-, Pensions-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung und damit soziale Absicherung garantiert.

Es wäre daher an der Zeit, dass der Gesetzgeber die abgabenrechtliche Bevorzugung der geringfügigen Beschäftigung aufgibt und die gänzliche Abschaffung der Geringfügigkeitsgrenze umsetzt. Dann wäre auch ein voller Versicherungsschutz für jeden arbeitenden Menschen gewährleistet und ein wesentlicher Beitrag für eine bessere soziale Absicherung von Menschen mit geringem Einkommen geleistet.

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